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von rb_MadDog » Mo 10. Nov 2008, 02:48
Hallo Susa. Hoffentlich bekommt die arme Michèle jetzt meinetwegen keins auf die Mütze, denn zu deinem Beitrag liegt mir nun doch etwas auf dem Herzen.Nur mal ein paar Gedanken.Was sind denn die eigenen Ziele mit dem Hund?Muss es sich denn immer um Sport, um "menschlichen Ehrgeiz" handeln, wenn das Thema Zwang zur Sprache kommt?Ein sehr wichtiges Ziel ist doch auch, das beispielsweise mein Hund durch sein Verhalten nicht ein anderes Tier oder auch einen anderen Menschen einschränkt, ängstigt oder gar verletzt.
Und das ist meiner Meinung nach sogar noch wichtiger, als zu sagen "Ich kann keinem Mitgeschöpft Angst oder gar Schmerzen zufügen, um meine Ziele zu erreichen" - denn wie verhält es sich anderen Mitgeschöpfen gegenüber?Da habe ich doch auch die Pflicht, dies zu vermeiden!Man steckt da manchmal in einer ziemlichen Zwickmühle. Weil.. im Grunde genommen möchten wir alle doch (gehe ich mal davon aus, oder?) mit unseren Hunden möglichst stressfrei unsere Tage genießen.
Für mich gehört, auch wenn ich offen über Zwänge zu sprechen vermag, zu einer vernünftigen Erziehung und Ausbildung hauptsächlich die wesensgerechte Strategie - wenn das bedeutet, dass ich einen Hund mit Klicker, mit Ablenkung durch Leckerchen oder Ball oder durch eine angepasste Körpersprache so durch die Umwelt bringen kann, dass niemand anderes belästigt oder gefährdet wird, dann tue ich das tausend Mal lieber als dem Hund Zwänge zu geben.Wäre ja auch unnötig in dem Fall. Braucht man nicht. Tut man nicht.
Oder SOLLTE zumindest nicht tun.Andererseits gibt es aber auch Hunde, die auf diese Methoden, und wenn man sie noch so oft und sorgfältig anwendet, einfach nicht ansprechen. Das ist einfach so. Es gibt so Hunde, und das nicht mal wenige. Soll ich jetzt ein Hundeleben lang als Gefährdung/Beeinträchtigung anderer durch die Gegend schluren, nur weil es mir widerstrebt, den mir anvertrauten Hund wesensgerecht zu behandeln?
Muss ich dem Tier, das nichts dafür kann und auch mein Anliegen nicht versteht, ein Hundeleben lang mit Maulkorb und Leine, unter Isolation von Sozialkontakten traktieren, nur weil ich ein moralisches Problem mit Zwängen habe?Also tut mir Leid, Meinungsverschiedenheiten hin oder her - das kann ICH beispielsweise nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Glücklicherweise hat jetzt nicht jeder so ein Exemplar. Allerdings stößt man eben häufig auf Situationen, in denen andere Hundehalter fragen - sag mal, kannst du nicht mit Bällchen, Leckerchen, Konfrontationstherapie etc.. anstelle, nur zum Beispiel (das hat jetzt nichts mit dem von dir erwähnten TV-Beitrag zu tun), einen Leinenruck zu geben?
Ufff.Was mag man da noch antworten?"Hätte irgendwas davon funktioniert...... würde ich jetzt keinen Leinenruck geben."Es gibt halt so Hunde.Freiheiten hören immer da auf, wo sie die Freiheiten anderer beschneiden. Auch die Freiheit, keine Zwänge zu bekommen.Ein anderes Ding wäre beispielsweise noch, dass ich die Belastung des eigenen Hundes beachten muss.
Ist es jetzt stressfreier, monatelang an einer Sache herum zu doktoren oder - wenn sich durch das Wesen des Hundes die Möglichkeit bietet - es mit beispielsweise einem Leinenruck zu klären, der eine Zehntelsekunde dauert und danach meist nicht mehr gebraucht wird?Zu klären in dem Sinne: "Mach das nicht, denn es ist total kacke - hast du jetzt Zeit dich mit dem zu beschäftigen, was ich dir anzubieten versuche?"Also einige Hunde sprechen sicherlich besser auf das monatelange Arbeiten an, keine Frage.Für andere wäre es, so paradox dies klingen mag, mehr Stress, weil die Bilder dort nicht klar genug sind.
Nochmal: der Leinenruck ist nur ein Beispiel von vielen. Es würde den Rahmen dieses Threads sprengen, alle einzeln aufzuführen. Du sprichst von einigen Hundeplätzen, wo Hunden Schmerzen durch Leinenrucks zugesetzt oder durch Strangulieren in Todesangst versetzt wurden.Hmm. Klingt natürlich bitter.
Aber weißt du was? Ich habe eine Hündin, die mich fast krankenhausreif gebissen hat, weil die Leine sie daran hinderte, sich auf einen - weit entfernten, absolut neutralen - Artgenossen zu stürzen.. und ich HABE die wie eine Kreissäge um sich beißende Hündin ausgehoben und stranguliert, weil ich nach ein paar Sekunden vierzehn Bisswunden an beiden Armen hatte... Bei dieser Hündin hat kein Ball und kein Leckerchen und keine Anti-Stress-Therapie, keine Begegnungen mit Maulkorb und sonst nichts geholfen, weil sie keine Angst und kein Stress hatte, sondern einfach raufen wollte und ihre Nerven es nicht vertrugen, in den Moment daran gehindert zu werden.
Trotzdem eine tolle und ganz leichtführige Hündin. Aber da nicht. Und ich habe ihr das Verhalten mit Zwang weggemacht, weil ich einfach keine Lust habe, jedes Mal ins Krankenhaus zu müssen (war nicht das erste, und nicht das letzte Mal...) oder sie jedes Mal bis zur Bewusstlosigkeit zu strangulieren, um mein eigene Haut zu retten (so ein Maulkorb geht mitunter auch schon mal ab, wenn ein Hund anfängt zu rotieren..) Bin ich jetzt ein schlechter Mensch?Nein, bin ich nicht, weil heutzutage können wir ganz entspannt an anderen Hunden vorbei gehen und ich kann sie, weil sie kein Maulkorb braucht, mit Leckerchen und Bällchen für ihr tolles Verhalten bestätigen. Weil das andere ist keine Alternative mehr. Und sie rauft wirklich lieber, als zu spielen oder zu fressen.
Das ist ein sicherlich extremes Beispiel, weil du auch sicherlich extreme Beispiele genannt hast - denn Schmerzen durch Leinenrucks sind schwierig zuzufügen wenn jemand das nicht geübt tut und die wenigsten Leute "draußen auf der Straße" strangulieren ihre Hunde halb zu Tode. Es gibt aber auch schlimmere Hunde als meine kleine Zicke.Es gibt Leute, die ihre Hunde entsetzlich quälen.Ja, sicher. Das ist aber kein Grund, alle in einen Topf zu werfen.
Wenn DU für DEINEN Hund keine Zwänge brauchst außer das, was einem an Zwang im Alltag so begegnet, ist das toll für euch und manchmal auch echt beneidenswert.Aber ich hoffe, dass du mit deiner Einstellung andere Leute (und auch Hunde), die aus welchen Gründen auch immer nicht ohne auskommen, leben lässt. Just my 2 cents.
Wieder mit freundlicher Genehmigung des Mentors.
Das Genie lernt von allem und jedem,
der Wissende lernt vom Genie,
der Dumme weiss alles besser.