Erziehung: Vertrauen, Bindung, Dominanz

rb_Freddy
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Erziehung: Vertrauen, Bindung, Dominanz

Beitrag von rb_Freddy » Fr 13. Nov 2009, 14:33


Hallo zusammen,


Erziehung von Hunden ist ein umfangreiches, komplexes Thema. Hunde und Menschen können sehr verschieden sein. Allgemeingültige Regeln und Ratschläge sind schwierig auszuarbeiten. Was bei dem einen Hund gut und richtig ist, kann ein zarter beseitetes Exemplar seiner Gattung verunsichern oder demotivieren.

Aus einem anderen Thread habe ich die Anregung aufgenommen mal eine Diskusion über Erziehung zu starten. Vielleicht sollten wir uns, um das Ganze nicht ausufern zu lassen auf die wichtigen Grundlagen wie Bindung, Vertrauen, Dominanz und so weiter beschränken. Das gezielte Erlernen von Verhaltensketten z.B. gehört mehr in den Bereich der Ausbildung und könnte besser in anderen Threads diskutiert werden.

Ich denke niemand hat bisher den Stein der Weisen gefunden und ich kenne kein Buch wo ich mich zu 100% wiederfinden würde. Das heißt nicht, das nichts aus Büchern lernen könnte, genau so wie hier jeder etwas beitragen kann, und sei es auch nur, das eine Methode bei seinem Hund nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. Umgekehrt kann sicher jeder auch etwas dazulernen.



Nur mal so als Einstieg zum Thema Vertrauen des Hundes in "seinen Mensch", eine kleine Geschichte die eben passiert ist:

Wir waren eben beim Tierarzt. Für viele Hunde ein Horror. Ein Vorgänger von Felix konnte aufgrund schlechter Erfahrungen bei vielen Eingriffen und Manipulationen nur mit Maulkorb behandelt werden.

Bei Felix habe ich von Klein auf darauf geachtet, das er gute Erfahrungen beim TA macht . Ich bin ohne das eine Behandlung stattgefunden hätte, zum TA gefahren habe Felix auf den Tisch gehoben, ein wenig gestreichelt und gehalten, wieder runter vom Tisch, ein Leckerchen gegeben und wieder gefahren.

Wenn, wie gestern z.B., der Rachenraum untersucht werden muss oder er sich für eine Behandlung auf den Rücken legen muss, geht das heute weitgehend stress- und angstfrei. Zusätzlich wurde noch Fieber gemessen und zwei Spritzen gegeben. Er lässt sich alles ohne knurren oder schnappen gefallen, springt sogar freiwillig und freudig auf den Behandlungstisch. Ich gebe ihm Sicherheit, halte ihn sanft fest und spreche beruhigend auf ihn ein. Heute das Gleiche nochmal. Unsere TÄ die viele Hunde kennt, ist von Felix begeistert und hält ihn für ein Ausnahmeexemplar.


Ich frage mich wie ist es möglich ein solches Vertrauensverhältnis aufzubauen?

Je mehr ich jetzt darüber nachdenke umso mehr wird mir klar das ich es eigentlich gar nicht so richtig weiß. Es sind vermutlich die vielen Dinge die jeden Tag passieren...Ich habe mich z.B. bemüht Felix niemals zu verunsichern oder in Angst zu versetzen, kein Alphawurf, keine starken körperlichen Einwirkungen auch keine Bestrafung. Natürlich sind auch mir schon mal die Pferde durchgegangen, aber ich habe meinen Ärger runtergeschluckt und auch das späte Zurückkommen noch belohnt. Im Nachhinein habe ich immer festgestellt das eine Bestrafung falsch gewesen wäre. Felix hat gelernt das er mir Vertrauen kann und das von mir (fast immer) nur Gutes kommt. Falsche Ausführung von Befehlen habe ich nie bestraft, immer nur die richtigen belohnt. Das bedeutet aber nicht das er immer tun kann was er will, es gibt auch schon mal ein "Nein" oder "Pfui". Das hat bisher immer ausgereicht, um Felix zu zeigen das er bei uns nur der dritte Chef ist.



Man kann an dieser Stelle nicht ein ganzes Konzept darlegen, ich denke gezielte Fragen mit Fallbeispielen bringen da mehr.

So, und nun freue ich mich auf eine interessante Diskussion und hoffe das sich viele, auch diejenigen welche alternative Ansätze verfolgen, beteiligen.


LG

Freddy mit Felix


PS:Um es noch mal ganz klar werden zu lassen:Ich halte mich nicht für einen "Hundeerziehungexperten". Felix hat sicher auch seine Macken... Mein Konzept hat sich bei uns gut bewährt, das muss nicht auf andere Hunde oder Situationen übertragbar sein.



Die Treue eines Hundes ist ein kostbares Geschenk,

das nicht minder bindende moralische

Verpflichtungen auferlegt als die Freundschaft

eines Menschen.

(Konrad Lorenz)

rb_Muecke
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Beitrag von rb_Muecke » Fr 13. Nov 2009, 22:50


Hallo zusammen,


dann erzähle ich mal von meinen eigenen Erfahrungen. Und was ich beim nächsten Welpen (vorausgesetzt: mit ähnlichem Wesen wie Angel) in der Form NICHT wieder machen würde.


Wir bekamen vom Züchter einen extrem gut sozialisierten Welpen!

Angel liebte alle anderen Hunde und Menschen (nach Kindern war sie einfach nur verrückt).

Ich hätte es dabei nahezu belassen können.


Stattdessen förderte ich das noch sehr.

In der Nachbarschaft zogen kurz drauf noch drei andere Welpen ein.

Es ergaben sich sofort tägliche Treffen. Der Kreis der Teilnehmer wurde immer größer.

Angel war bei den Kindern in der Nachbarschaft die heißgeliebte „Prinzessin“, der umjubelte „Star“...

Wir haben uns ein Sommerhalbjahr lang jeden Abend auf den großen Sudberger Wiesen getroffen. „Wir“ waren ca. 4 bis 8 Hunde mit erwachsenen Zweibeinern plus ein halbes Dutzend (oder mehr ) Kinder.

Es wurde Ball gespielt und getobt ohne Ende.

Es waren für uns alle schöne Sommerabende.

Angel war im 7. Himmel. Sie liebte nichts mehr als diese abendlichen Treffen.


Die täglichen „Hundepartys“ trugen sicherlich nicht zum Bindungsaufbau mit mir bei.

Ich war dort für Angel immer komplett abgeschrieben.

(Natürlich habe ich mich ansonsten auch viel mit ihr alleine beschäftigt, gespielt, etc.)

Aber so was Tolles konnte ich ihr alleine nie bieten.


1. Das würde ich heute anders machen, vielleicht nur noch ein bis zweimal pro Woche Kinder-/Hundeparty...


2. Ich hatte Angel draußen (außer in Straßennähe, bzw. bei Wildwechsel) nie an der Leine.

Ich ließ es zu, dass sie mit ihrer menschenbezogenen Art zu jedem hinrannte. (Auch mitlief.)

Ich lief dann brav hinterher und holte sie ab.

Heute würde ich dann doch mal eine Schleppleine an den Hund hängen.


3. Ich habe mit (wirklich konsequentem! und mühevollen Rückruftraining) erst begonnen, als Angel älter als sechs Monate war. Damit würde ich heute viel früher beginnen.

(Dazu fällt mir noch eine Anekdote ein: Klein Angel war auf einer frisch gemisteten Wiese mit Stinkzeug fressen beschäftigt, sie ließ sich von mir nicht abrufen. Ich klingelte bei den Kindern gegenüber, von denen reichte ein einziger „Aaaaangel“ -Schrei und mein Hündchen kam angesaust...)


Inzwischen ist Angel knapp drei Jahre alt. Der Rückruf klappt sehr gut (...nicht 100%).

Ich denke, ihre Bindung an mich ist gewachsen und gut so, wie sie ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Angel jemals ein stark fixierter „Einmann-/ Einfrauhund“ sein wird. Ob das an Angels Charakter liegt, oder daran, wie sie bei mir aufwuchs, das vermag ich nicht zu sagen.


Angel liebt es weiterhin, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.

Das freut mich insofern, weil ihr die regelmäßigen Altenheimbesuche dadurch so richtig Spaß machen.


An neuen Hundekontakten ist sie seit einiger Zeit nur noch mäßig interessiert. Sie ist freundlich, braucht es aber nicht wirklich.

Ihre wirklichen „Hundefreundschaften“, das sind die gewachsenen Freundschaften aus der Welpenzeit.

(Auch unseren Gast Enzo hat sie die ersten Tage lediglich freundlich geduldet. Dann entstand allerdings echte Freundschaft!)


LG,

Barbara mit

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rb_Rover
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Beitrag von rb_Rover » Sa 14. Nov 2009, 09:05


Guten Morgen alle zusammen!


Schön, dass Du diesen Thread eröffnet hast, Freddy. Du hast den Einstieg gut formuliert!


Rover ist unser erster Hund als Familie. Alt ich im Teenageralter war, hatte meine Großmutter, die bei uns wohnte, einen Cockerspaniel. Damit habe ich meine allerersten Hundeerfahrungen gesammelt - falls man das überhaupt so nennen will.

Einiges, was ich nie so machen wollte, habe ich beim Cocker erlebt. Der war extrem verwöhnt, was zu einem guten Teil der "Ist-doch-nur-gutgemeint" - Strategie der Oma zu verdanken war. Erziehung hat dieser nie genossen, er tat und ließ, was er wollte. Es gab aber mit ihm nie ernsthafte Probleme, weil er gutmütig (und vielleicht ein bisschen doof, wenn Ihr wisst, was ich meine) war.


Als Rover zu uns kam, war das gleich komplett anders. Er war nicht nur der kleine Hund, der plötzlich da ist und "nebenbei" groß wird. Er hatte von Anfang an eine eigene Meinung !

Und wir wollten ja auch nicht alles durchgehen lassen...

Ich glaube, "Pfui" ist eines der häufigsten Worte, das ich im ersten halben Jahr gesprochen habe! Er war ein richtiger kleiner Teufel, und auch ein scharfes Pfui hat ihn nicht unbedingt von seinen Untaten abgehalten. Also sind wir notgedrungen sehr ordentlich geworden . Und alles hat sich gut eingespielt.


Natürlich wollten wir auch gerne einen Hund, der bei Spaziergängen mitrennen kann und ohne Leine bei seinem Rudel bleibt.

Das hat gut funktioniert, so lange er noch ziemlich klein war. Und das war es dann. Da haben wir wohl einiges falsch gemacht. Bei ihm hatte sich die Überzeugung gebildet: wenn mich meine Menschen rufen, wollen sie mich von was tollem abhalten. Also gucke ich erstmal, was anliegt.

So ist er mal einer Gruppe Rehe hinterher, die er selber noch gar nicht gesehen hatte, aber entdeckt hat, als wir ihn herangerufen haben. Und fort war er! Und bei mir das Herz in der Hose. Er kam relativ schnell zurück, und wir haben ihn auch sehr gelobt. Nur, ich habe mich nicht mehr getraut, ihn ohne Leine laufen zu lassen.

Bei uns gibt es nahezu keine freien Flächen oder Wiesen - fast überall ist Wald. Man kann also kaum eine größere Entfernung einsehen, von den Wildspuren ganz zu schweigen. Schleppleine steht also auch nicht zur Debatte. Und dazu ist Rover ein leidenschaftlicher Jäger.

Hier würde ich wirklich gerne beim nächsten Hund etwas besser machen - aber wie?


Natürlich hat er auch noch eine ganze Reihe anderer Unarten, die man besser erziehen könnte/sollte.


Aber insgesamt ist er ein freundlicher, verträglicher, angenehmer Hausgenossen. Und darauf kommt es ja an - wir kennen seine Macken (und er die unseren )


Viele Grüße,

Kerstin und Rover



Der Hund im Haus erspart den Weihnachtsmann!

rb_Freddy
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Beitrag von rb_Freddy » Sa 14. Nov 2009, 13:15


Hallo zusammen,


allgemeingültige Patentrezepte gibt es leider in der Hundeerziehung nicht. Die beiden Beiträge von Barbara und Kerstin haben aber, so denke ich, eine Gemeinsamkeit wo man ansetzen könnte:


In beiden Fällen wollen/wollten die Hunde ihren Bedürfnissen ( ich spreche ab jetzt, synonym und nicht ganz korrekt, aber hoffentlich verständlich, von Jagdtrieb, Rudel ec.) ohne ihrem Chef nachgehen.


Sie haben gelernt, das sie ihren "Trieben" frönen können, ohne dabei auf das Rudel oder den Rudelchef Rücksicht zu nehmen. Sie bekommen ihre Erfolgserlebnisse und werden so immer wieder für ihr "renitentes" Verhalten belohnt. Jagd in jeder Form ist auch ohne Beute selbstbelohnend.



Ich versuche mal mein Gedankenmodell, darzulegen um es etwas klarer zu machen:


Ein "Rudel" kann in der Natur nur überleben wenn sich alle an bestimmte Regeln halten. Es muss Tiere geben welche Verantwortung für alle übernehmen. Alle müssen kooperativ zusammenarbeiten sonst gibt es keinen Jagderfolg. Sollte z.B. ein Tier sein eigenes Süppchen kochen wollen und vorzeitig mit der Jagd beginnen...was wäre die Folge? Die Jagd würde scheitern und das Überleben des ganzen Rudels wäre bedroht.

Also wird den Tieren von klein auf vermittelt das es nur "abgesprochene Gemeinschaftsaktionen" gibt. Man wartet ab bis von einem erfahrenen dominanten Tier die Jagd freigegeben wird.


Unsere Hunde haben noch ihre "alten" Triebe und wollen sie ausleben. In der heutigen Zeit ist das allerdings aus verständlichen Gründen nicht möglich. Was passiert wenn Triebe nicht abreagiert werden können? Es kommt zu einem Triebstau. Die Motivation für eine eigenständige Jagd wird immer größer.


Um eine unkontrollierte Jagd zu verhindern, oder unerwünschte Sozialkontakte zu Kindern zu kontrollieren, gibt es mehrere Möglichkeiten:


- Gewaltsames verhindern der Jagd z.B. durch Schleppleine oder gar Teletakt. Das halte ich nicht für eine gute Lösung, da hierbei die lustvolle Jagd unterbrochen und der Trieb nicht abgebaut wird. Außerdem kommen clevere Hunde schnell auf den Zusammenhang das man ohne Schleppleine wunderbar weiter jagen kann. Zusätzlich ist die Methode sehr zeitintensiv, nicht immer praktikabel, und macht den Hundeführer beim Hund sicher nicht gerade beliebter...


- aus der unkontrollierten eine kontrollierte Jagd zu machen. Das hört sich leichter an als es ist, ist aber meiner Meinung nach sehr effektiv.



Welche Voraussetzungen brauchen wir dafür?


- die wichtigste ist sicher das der Hund uns als "Jagdkoordinator", als Chef anerkennt. Dann wird er nicht einfach los stürmen wenn es im Busch raschelt, sondern erst Blickkontakt zum Chef aufnehmen um sich "abzustimmen". Das gleicht einem gespannten Erstarren mit wechselndem Blickkontakt zum Chef und zum Wild. Erst wenn "Cheffe" mit einer kleinen Gesten signalisiert (damit das Wild nicht gewarnt wird), jetzt geht es los...geht es wirklich los.

Aber natürlich nicht in Richtung des Wildes sondern zur Ersatzbeute und die ist beim Chef. Dann aber nicht einfach zuwerfen sondern ein tolles Jagdspiel daraus machen.


Diese Verhalten werden im Rudel von klein auf spielerisch geübt. Es gibt kaum Tiere die mehr als Caniden spielen - und dabei lernen.

Genau das können wir uns zunutze machen. Lernen und Bindungsaufbau wie in der Natur.


Den Aufbau solcher Spiele kann man nicht in wenigen Sätzen erklären. Ich habe da einiges von Ekard Lind übernommen.

Bei diesen Spielen für die Felix sein letztes Hemd geben würde, wird genau dieses Erstarren vor der Beute geübt. Der Hundeführer gibt den Hund nach einer gewissen Zeit der Vorsitzens mit kleinsten Signalen frei. Nach einiger Übung kann man Die Hunde minutenlang bis zum äußersten gespannt im Sitz, Platz oder Steh halten. Es gibt kaum die Möglichkeit von Außen einen Hund der so an der "geistigen Schleppleine" ist, abzulenken. Der Hund lernt das es Sinn macht auf seinen Chef zu achten, schließlich kommt von dort das Signal zu etwas ganz Tollem. Andere Interessen wie Kinder oder Hasen treten zurück, der Hund ist in unserem Bann...

E. Lind spricht auch von der "Paradeübung". Könner schaffen es, Hunde minutenlang ununterbrochen zu fesseln und mit einem kleinen Fingerzeig explosiv zu starten.


Dabei möchte ist es erstmal belassen obwohl es natürlich noch viel zu sagen gäbe...


LG

Freddy mit Felix

[Dieser Beitrag wurde am 15.11.2009 - 00:36 von Freddy aktualisiert]



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rb_Uschi
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Beitrag von rb_Uschi » Sa 14. Nov 2009, 14:14

Freddy hat geschrieben:
Sollte z.B. ein Tier sein eigenes Süppchen kochen wollen und vorzeitig mit der Jagd beginnen...was wäre die Folge? Die Jagd würde scheitern und das Überleben des ganzen Rudels wäre bedroht.

Hallo Freddy,


das ist m.E. graue Theorie, denn zuhause gibts dann den vollen Futternapf. Es würde auch nichts bringen, würde ich dann nichts zu fressen geben, denn das würde sie ja nicht mehr in Verbindung bringen mit ihrer Einzeljagd.



Ansonsten, vielleicht klappt die Ersatzjagd bei einem Hund, der erst auf Anreiz wie Sicht, Spur oder Rascheln etc. animiert wird.


Was aber tust Du mit einem Hund, der diese Reize nicht braucht, sondern nach dem Motto handelt "Wer sucht, der findet, und ich finde IMMER was, egal ob in Wald, Feld, Wiese. Ich WEISS, überall gibts was, was zu jagen ist".?


2 Stunden ununterbrochenes Jagdspiel in der Natur? 2x täglich? Und ist das dann noch was ganz Tolles für den Hund? Holt man ihn damit dann noch hinterm Ofen hervor?

Allerspätestens nach 3 Tagen würde Wijnta mir den Vogel zeigen


Wijnta hat die Hasenjagd auf den Äckern und Wiesen "gelernt", als ihr ein Hase dort begegnete, zu einem Zeitpunkt als ich sie noch nicht losgemacht hatte, sie angeleint war.


Als ich sie beim nächsten Spaziergang dort losmachte, war sie sofort auf und davon um dieses Tierchen zu suchen.


Bis dahin war sie dort immer frei gelaufen, aber ab dem Tag der Hasensicht dort, war sie immer auf der Suche.


Und dabei blieb es nicht. Sie schloss schlau, dass es auf anderen Äckern und Wiesen auch Hasen geben müsste,

und suchte eben dann auf ALLEN Äckern und Wiesen


Ich kenne inzwischen noch einen anderen Hund, der so ist. Wijnta ist also wohl kein Einzelfall.






Viele Grüße

Uschi

[Dieser Beitrag wurde am 14.11.2009 - 13:28 von Uschi aktualisiert]


rb_Freddy
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Beitrag von rb_Freddy » Sa 14. Nov 2009, 15:32


Hallo Uschi,


ich wollte mit dem Satz: Sollte z.B. ein Tier sein eigenes Süppchen kochen wollen und vorzeitig mit der Jagd beginnen...was wäre die Folge? Die Jagd würde scheitern und das Überleben des ganzen Rudels wäre bedroht.


..nur erkären warum es erforderlich ist, im Rudel solche Einzelaktionen zu verhindern, das liegt den Hunden sozusagen im Blut. Die Welpen werden daraufhin systematisch erzogen und kennen ihren Platz im Rudel. Wäre es anders, gäbe es heute keine Caniden mehr.

Man sollte so etwas natürlich nicht draußen, sozusagen am Hasen einüben, sondern im entspannten Feld zu Hause.

Richtiges Spielen mit Hunden will gelernt sein und eine echte "Führerbindung" entsteht nicht in ein paar Stunden. Das Verfolgen der Spielbeute muss besser als das Verfolgen des Wildes sein...

Für mich und Felix ist dieses Konzept keine graue Theorie sondern gelebter Alltag. Die Verhaltensweisen die spielerisch erlernt wurden haben ihre Wirkung dann auch zu 99% in der Realität.


Ich habe mich sicher nicht für alle verständlich ausgedrückt: Ich mache nicht 2 Stunden am Tag ununterbrochen Jagdspiele, das könnte ich gar nicht schaffen. Aber ich kann mittlerweile Felix mit einem Fingerzeig in "Jagdspiellaune" und höchste Aufmerksamkeit versetzen. Und dann gib es zwischendurch ein Spielchen oder eine Suchaufgabe.


Langeweile braucht nicht aufzukommen,es gibt viele unterschiedliche Spiele, , die ich pauschal als "Jagdspiele" bezeichnet habe. In Wirklichkeit basieren manche Spiele auch nur auf Teilen des Jagdverhaltensmusters:

-Orientieren, Starren

-Anpirschen

-Hetzen

-Packen der Beute

-totbeißen, totschütteln

- ggf. zum Rudel bringen (Aportieren)

-Fessen


Also ist z.B. Frisbee oder die Verlorensuche auch schon ein (Teil-Jagdspiel). Bei Spielen welche die Bindung zum Hundeführer verbessern sollen, werden vor allem die ersten Teile der Verhaltenskette (die Koordinierung vor der eigentlichen Jagd) geübt. Durch das "Stillhalten" und fixieren wird Felix erst so richtig scharf auf die Beute. Er hat aber gelernt das er nur zum Erfolg kommt, wenn er mit mir zusammen arbeitet und auf mein Startsignal wartet. Die Ablenkungen von außen muss man natürlich ganz langsam steigern. Das geht bei uns inzwischen bis zum Wild in Sichtweite...oder Hunde die ein paar Meter neben uns hergehen.


Ich hatte ja neulich von unserer Begegnung mit den Wildschweinen berichtet: Auf mein Signal hin, ist er sofort stehen geblieben und hat mich erwartungsvoll angeschaut, das Startsignal ist in dem Falle allerdings ausgeblieben


Vielleicht konnte ich "meine" Methode etwas klarer machen. Es hört sich nach viel Aufwand an, ist es aber im Vergleich z.B. zum Schleppleinentraining nicht, zumal sie noch einige positive Nebeneffekte (Bindung) hat.

Es ist, wie bei jeder Methode, sie ist nicht für jeden geeignet oder es gibt sicher auch Hunde die darauf nicht gut ansprechen. Einen Versuch ist sie aber sicher wert. Für mich und Felix ist es die Methode die bisher am besten funktioniert hat.

Und sie macht uns beiden Spaß...


LG

Freddy mit Felix


PS: Je früher man damit beginnt desto besser klappt es später...


PPS: Weiß jemand wie Jäger den Hunden das "Vorstehen" beibringen? Das ist ja auch eine Unterbrechung der Jagd und das im Angesicht des Wildes..



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Beitrag von rb_Pio2 » Sa 14. Nov 2009, 17:09


Hallo,
Freddy hat geschrieben:PPS: Weiß jemand wie Jäger den Hunden das "Vorstehen" beibringen? Das ist ja auch eine Unterbrechung der Jagd und das im Angesicht des Wildes..
Diese Eigenschaft ist den Hunden angeboren oder wie die mit der grünen Jacke sagen " angewölft". Sie muß also nicht beigebracht werden, sondern "nur" gefördert werden. Sie warten praktisch bis der Boß das Ruder übernimmt. Daher auch die Gruppe der Vorstehhunde, die für diese Jagdform besonders geeignet sind.


V.G.

Günter & Winston



Wer an gewissen Dingen den Verstand nicht verliert, hat keinen. Lessing

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Beitrag von rb_Freddy » Sa 14. Nov 2009, 18:26


Hallo Günter,


ja, Du hast recht.Danke für die Erklärung,

Ich habe mal gelesen das z.B. bei Border Collies nur noch die Teile Anpirschen und Hetzen vom Jagverhaltensmuster (der Wölfe) übrig geblieben sind. Allerdings sind die anderen Teile des Jagdverhaltensmuster zumeist noch latent vorhanden.

Wie das bei unseren AT aussieht weiß ich nicht.


LG

Freddy mit Felix



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rb_Uschi
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Beitrag von rb_Uschi » Sa 14. Nov 2009, 19:33

Freddy hat geschrieben:
Und dann gib es zwischendurch ein Spielchen oder eine Suchaufgabe.


Hallo Freddy,


und was macht Felix zwischen den Spielchen und Aufgaben?


Vielleicht ist Felix anders geartet, aber wenn Wijnta mal am Starren ist und vorsteht, ist es schon zu spät. Dann nimmt sie von außen nichts anderes mehr wahr.


Ich würde das gar nicht provozieren wollen.


Schon Ballspielen (oder Frisbee, haben wir auch) draußen versetzt sie in Jagdmodus. Der Ball ist gepackt und dann, naja rennen ist grad so schön, es wird sich doch noch was finden.............


Solche "Jagdspiele" machen wir nur in absolut sicherer Gegend. Alles andere war und ist "Spiel mit dem Feuer".



Viele Grüße

Uschi

[Dieser Beitrag wurde am 14.11.2009 - 18:42 von Uschi aktualisiert]


rb_Freddy
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Beitrag von rb_Freddy » Sa 14. Nov 2009, 20:39


Hallo Uschi,


dann schildere ich mal unseren durchschnittlichen Spaziergang, die "Hausrunde": Zunächst 200m an der Leine bis ich auf einem Wiesenweg bin. Dann lasse ich ihn laufen, er markiert, liest die Hundezeitung, erledigt sein Geschäft, trifft ab und zu einen Hunde Kumpel, dann sind wir ca. 500 gelaufen und ringsum sind Wiesen, Wild selten. Danach gibt es Beschäftigung mit der Frisbee. Kurze Würfe, lange Würfe, verschiedene Richtungen, immer variieren. Ich füge kleine Übungen ein: Z.B. bleib da, bei Fuß und was man so braucht....

Er bleibt sitzen und wird entweder abgerufen oder er darf die Frisbee frontal fangen...Manchmal das ganze auch mit einem Schleuderball..


Dann lege ich Felix hinter einem Holzstoß ab und verstecke auf der Wiese meinen Autoschlüssel oder mein Taschenmesser,er muss es dann suchen. Wir gehen weiter so ca. 500m, ringsum immer noch Wiesen. Er geht in ca. 5-15m Entfernung vor oder neben mir schaut mich aber ca. alle 5 Sekunden ja könnte ja noch mal interessant werden...dann wiederholt sich das Ganze in Variationen...

Ich nehme ihn in unübersichtlichen wildreichen Gebieten auch durchaus mal an die Leine, das ist für mich dann entspannender.


Falls ich merke das Felix Witterung hat und loslaufen will, bekommt er als Aufmersamkeitssignal ein Zischen/Pfeifen, eventuell auch noch einen Superschlachtruf zu hören, er dreht dann (99%) sofort ab und kommt im Bogen auf mich zu. Dann gebe ich alles: Ein bekommt ein erstklassiges Jagdspiel. Ich darf bei ihm nicht den Fehler machen, ihm die Beute "gnadenhalber" zu geben, er bekommt sie nur wenn er richtig tüchtig ist. Danach tausche ich Beute gegen Leckerchen. Anschließend nehme ich ihn meistens zur Sicherheit und zum "abkühlen" an die Leine.

Nach ca.1 Std. sind wir dann wieder zu Hause, ca. die Hälfte der Zeit habe ich mich dann mit ihm beschäftigt. Langweilig sollten diese Runden nicht für die Hunde nie werden...


Schon Ballspielen (oder Frisbee, haben wir auch) draußen versetzt sie in Jagdmodus. Der Ball ist gepackt und dann, naja rennen ist grad so schön, es wird sich doch noch was finden........



Ja Uschi, ich weiß was Du meinst und kenne das auch. Es ist aber bei Felix sehr selten. Ich habe meistens zwei Motivationsobjekte (MO) (Tipp hier aus dem Forum, danke Silke Bild) bei mir. Das "bessere" behalte ich für den Notfall das schlechtere wird geworfen...

Es ist sogar mehrmals passiert das er mit der Frisbee in der Schnauze ein Reh aufgescheucht hat, das ist dann ohne zweites MO sehr schwierig ihn abzurufen. Man muss das vorher aber "trocken" üben. Also mit einem schlechen MO losschicken mit einem guten abrufen...

Ich habe nicht immer ein zweites MO zur Hand, im Ernstfall kommt es darauf auch gar nicht an. Es reicht, wenn der Hund "glaubt" ich hätte es.


Natürlich darf man ihn nicht zu oft enttäuschen...


LG

Freddy mit Felix



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