Haben Hunde auch eine Moral?

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Bettina
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Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Bettina » Do 11. Feb 2010, 16:39

Hallo zusammen,

das Zusammenleben mit meinen beiden Rackern hat mich gelehrt, Hunde und ihre Verhaltensweisen genau zu beobachten und eigentlich möchte ich behaupten, meine Hunde auch "lesen" zu können.

Bei nachfolgend beschriebener Begebenheit fällt mir aber nichts anderes ein, als es aus menschlicher Sichtweise zu beurteilen - das ist die Geschichte dazu:

Amanda hatte innerhalb weniger Tage zwei, von der Kälte geschwächte, Blesshühner..........erlegt. Beide Male ging es rasend schnell, ich kann auch nicht sagen, ob sie sie nun totgeschüttelt hat oder sich beide zu Tode erschrocken haben.
Beim ersten Mal kam sie mit Huhn in der Schnauze und ließ nach meinem von fern gebrüllten "AUS" das Huhn auch fallen. Wir sammelten das Huhn ein, um es zu "beerdigen".

Conrad war dabei!

Beim zweiten Mal, wenige Tage später,brachte sie das Huhn und legte es schon von sich aus ab. Wir nahmen das tote Tier ohne weiteren Kommentar auf, um es zu entsorgen.

Beide Male haben wir nicht geschimpft, denn sie war ja nur ihrem Urinstinkt gefolgt und hatte ja auf Kommando "Aus" gelassen. (Dass wir vorher nicht schnell genug waren, um sie rechtzeitig von ihrem Plan abzubringen, war ja nunmal unsere Schuld)

Conrads Reaktion auf ihre zweite Tat dagegen lässt mich nun über hündische und menschliche Verhaltensmuster grübeln: Conrad nämlich lauert Amanda nach dem Aus auf, jagt sie, klappert mit den Zähnen, bekommt sie am Rücken zu fassen, zwickt sie.....sie wirft sich unterwürfig hin, macht sich klein, platt wie eine Flunder (nicht als Aufforderung zum Spiel, sondern sich duckend in Erwartung weiterer Maßnahmen). Es findet keine Rauferei statt - er maßregelt sie, "faltet sie zusammen". Als sie aufsteht, bekommt sie sogleich noch eine Ladung seines Mißmutes zu spüren. Es ist nicht zu übersehen - Conrad ist sauer!

So - warum hat er das nun getan? Der tote Vogel interessierte ihn nicht, er machte keinerlei Anstalten, sich ihre Beute zu schnappen.

Nach meinem Verständnis hat hier eine Erziehungseinheit stattgefunden, aber doch wohl eine, die sehr nach menschlichen Werte- und Moralvorstellungen zu verstehen ist ?!

Können unsere Hunde die haben?

Bin gespannt auf Eure Meinungen dazu!

Liebe Grüße
Bettina :dogstare :dog_sleep2
Das Beste am Norden....ist wieder komplett!

Carlotta und Curtis

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Für immer in unseren Herzen: Conrad und Amanda

Eddi

Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Eddi » Do 11. Feb 2010, 16:59

Hallo Bettina,

ich glaube zwar, daß Dein Conrad seine Frau zurecht gewiesen hat. Aber meiner Meinung nach nicht, wegen des Jagens/tötens an sich, sondern weil dieses Verhalten von Euch unerwünscht ist und er nicht möchte, daß einer von den Hunden was verkehrtes oder unerwünschtes tut.
Also quasi eher mit dem "Hintergedanken": "ey Alte, laß die Schei...,sonst gibts hier noch Stunk" und/oder "schau mal Frauchen, ich finde auch, daß die Tussi sich richtig benehmen sollte"
Wer es pragmatischer sieht, der sagt, der Rüde würde die Hündin zusammenfalten, weil sie sich was getraut hat, wofür er zu feige war und deshalb nach dem Motto, "was ich nicht bekomme, steht Dir erst recht nicht zu, auch wenn ich es gar nicht gewollt hätte...." handelt. Eher, wie die Leute, die sich über den dicken Benz vom Nachbarn aufregen, weil bloß sie nen Golf fahren, obwohl sie sich den Benz spielend leisten könnten.

Ich kenne das auch von meinen Hunden, daß die ranghöheren die niedrigeren für Fehlverhalten - dessen Maßstäbe ich vorgebe -, "maßregeln".
Nach Moral klingt es für mich weniger, aber immerhin nach weitergehenden Überlegungen, nämlich, daß Fehlverhalten eines einzelnen möglicherweise in der Gruppe/Rudel für Unruhe sorgen kann. Die zweite Erklärung gefällt mir nicht so gut, fände ich es doch schön, einen Beweis für den Intellekt u die Abstraktionsfähigkeit unserer Hunde in dem Vorgang zu sehen.

LG
Eddi

vanja
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Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von vanja » Do 11. Feb 2010, 17:03

Hallo Bettina,

da kann ich auch etwas zu beisteuern.

Una und Ulyx buddeln am Wegesrand nach den lieben Mäuschen.

Wir gehen weiter und rufen nach einer Weile die Hunde. Meist kommt der Ulyx sofort. Der ist einfach zu brav und zu ängstlich "verloren" zu gehen.

Sollte aber mal die Una sich eher abrufen lassen und der Ulyx noch weiter buddeln, dann ist die Hölle los.

Kommt Ulyx dann nach einer weiteren Aufforderung angaloppiert, und nimmt nicht direkt den Weg an meine Beine, dann bekommt er von Una eine Packung, die sich gewaschen hat.

Das lasse ich selbstverständlich nicht durchgehen, aber meist zieht der Ulyx erst einmal den Kürzeren.

Dieses Theater findet jedesmal statt, wenn Ulyx nicht sofort lossprintet, wenn gerufen wird.

Aber wenn ihr denkt, daß Una einen Freifahrtschein hat, dann habt ihr euch getäuscht. Wenn Una nämlich als letzte angetrabt kommt, bekommt sie von Gini eine Packung.
Da ich Gini aber beim Freilauf von Una an der Leine führe, bekommt sie seltener die Leviten gelesen.

Bei uns ist übrigens die Rangfolge: Ulyx - immer drauf, der kann es ab - er ist also der Letzte im Rudel
Una - ich nehme mir die Freiheiten - bekomme ja nur von Gini einen drauf
Gini - glaubt, sie käme damit durch - und bekommt von mir einen Rüffel.

Ich bilde mir ein, daß ich das Sagen habe, aber in Wirklichkeit hat schon lange Gini die Macht an sich gerissen.
Maximal könnten wir noch sagen, daß Gini und ich die "Bestrafung" der anderen Hunde vornehmen dürfen.
Sie als Rudelchefin und ich als Chefin des Mensch/Hund-Rudels.
Liebe Grüße Ilona und die Whippets
mit Alco, Kasi, Krabbe, Grille und Una im Herzen
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Im Alter haben Erinnerungen denselben Stellenwert, wie in der Jugend die Träume.
Erna Behrens-Giegl
http://whippetweb.blogspot.com

Uschi

Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Uschi » Do 11. Feb 2010, 23:07

Eddi hat geschrieben:daß Fehlverhalten eines einzelnen möglicherweise in der Gruppe/Rudel für Unruhe sorgen kann.
Hallo Eddi,

ich kann mir aber ganz und gar nicht vorstellen, dass Jagen geahndet wird, denn es ist, wie Bettina ja sagt, ein Urinstinkt. Amanda hat was zum essen gebracht. Wie soll Conrad auf die Idee kommen, dass in diesem Fall das "lebensnotwendige" ein krasser Fehler ist.


Dass Amanda ganz offensichtlich gemaßregelt wurde, sehe ich schon auch so, aber wofür?




Unsere erste AT-Hündin Sina hat ihre Schäferhundfreundin platt gemacht, wenn diese es mal ab und zu gewagt hat, zuerst mich zu begrüßen und dann erst ihr kniefällige Aufmerksamkeit zu erweisen.
Die Reihenfolge der Begrüßung war von Sina genau festgelegt. Zuerst musste die DSH-Hündin sich vor ihr auf den Rücken legen, dann durfte die Schäferhündin mich küssen, so lange sie Lust dazu hatte.
Das gleiche hat Sina dann gemacht, als diese Hündin, ohne sie vorher zu begrüßen, schnurstracks auf einen Yorkshire losging, um diesen zu beißen. Danach wurde sie von Sina strengstens zurechtgestutzt. Die umstehenden dachten, die "gute" ;-) Sina hätte die DSH bestraft, weil sie gebissen hat, aber das war natürlich nicht der Grund. Der Grund war, dass die DSH "vergessen" hatte, ihr vorher ihre Aufwartung zu machen. Danach hätte sie beißen können, wen und solange sie wollte.


Viele Grüße
Uschi

Eddi

Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Eddi » Fr 12. Feb 2010, 00:35

Hallo,
von Uschi
ich kann mir aber ganz und gar nicht vorstellen, dass Jagen geahndet wird, denn es ist, wie Bettina ja sagt, ein Urinstinkt. Amanda hat was zum essen gebracht. Wie soll Conrad auf die Idee kommen, dass in diesem Fall das "lebensnotwendige" ein krasser Fehler ist.
Nee, so hab ich das nicht gemeint. Nicht das Jagen an sich, sondern daß die Hündin was tut, was Frauchen nicht möchte. Conrad als vorauseilender Erfüllungsgehilfe. Sie könnte genauso gut eine andere grobe Verfehlung begehen.

Rough zum Beispiel mault, wenn ein anderer Hund etwas verbotenes tut. Sie kommt sogar in ein anderes Zimmer gelaufen: "schnell, komm mit, da, da, der macht was...." Blöde Petze! :dog_wink

Abgesehen davon, mag Jagen ein Urinstinkt sein. Aber die Hunde leben den gar nicht im Kontext der Nahrungsbeschaffung aus. Bei so vielen Instinkthandlungen ist fest gestellt worden, daß die Tiere die einzelnen Elemente auch unabhängig voneinander ausleben können. Da benötigt es kein anschließendes Beute verspeisen, um dem Jagen nach zu gehen.
Machen wir doch täglich mit unseren Hunden. Völlig unabhängige Spiele zum Bällchen holen, Schnüffeln und so. Im Prinzip alle aus dem Kreis der Nahrungsbeschaffung. Aber hier quasi ziellos, ohne Erfolgsbedarf. Der Hund lebt aus, was er gern tun möchte, benötigt dafür aber weder den echten Jagderfolg, noch die natürliche Reighenfolge, schnüffeln, anschleichen/nachrennen, töten.

Ich meinte nicht, daß Conrad das Jagen als Fehler sieht, das ist ihm vermutlich schnurz, sondern daß er das etwas-gegen-Frauchens-Willen-tun als das Problem sieht.

LG
Eddi

Uschi

Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Uschi » Fr 12. Feb 2010, 00:44

Hallo Eddi,

Gut also, Conrad spürt, dass was nicht in Ordnung ist, auch wenn Bettina nicht schimpft.

WEISS er denn, dass Amanda die Ursache dafür ist? Oder spürt er nicht einfach nur angespannte Stimmung?
Würde er nicht eher versuchen Bettina zu beschwichtigen, weil er merkt, dass da was nicht geheuer ist, dass ungute Stimmung ist. Kann er das auf Amanda beziehen?


Viele Grüße
Uschi

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Bettina
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Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Bettina » Fr 12. Feb 2010, 09:55

Hallo zusammen,
Uschi hat geschrieben: Gut also, Conrad spürt, dass was nicht in Ordnung ist, auch wenn Bettina nicht schimpft.
Ich hatte ja beim ersten Mal "AUS" gebrüllt und der Ton macht ja bekanntlich die Musik.
Zu dem Zeitpunkt hat er sich nicht gerührt, er tat unbeeindruckt. Beim zweiten Mal allerdings reagiert er und zwar in der Art, wie ich es mir wünsche. Genau DAS (vorher unbeteiligt tun und später, nach Denk-und Merkpause reagieren) finde ich ja so faszinierend!
Uschi hat geschrieben:WEISS er denn, dass Amanda die Ursache dafür ist? Oder spürt er nicht einfach nur angespannte Stimmung?
Würde er nicht eher versuchen Bettina zu beschwichtigen, weil er merkt, dass da was nicht geheuer ist, dass ungute Stimmung ist. Kann er das auf Amanda beziehen?
Ich glaube, er WUSSTE es und hat dementsprechend maßregelnd und erzieherisch auf seine Frau eingewirkt.

Seine Beschwichtigungssignale bei Situationen, die er nicht einordnen kann, wo er "nur" spürt, sind anders.

Liebe Grüße
Bettina
Das Beste am Norden....ist wieder komplett!

Carlotta und Curtis

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Uschi

Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Uschi » Fr 12. Feb 2010, 12:14

Hallo Bettina,

das ist dann ungefähr so wie Wijnta reagiert in folgenden Situationen?:

Kommt ein Hund, der mir nicht geheuer ist auf uns zu. Ich versuch ihn zu vertreiben. Wijnta wird dann sehr aufmerksam, schaut eine Weile zu. Werde ich dann entsprechend laut, "hilft" Wijnta nach, baut sich auf, knurrt, droht.

Das ist natürlich genau das, was ich NICHT will, denn durch meine laute Vetreiberei stachle ich Wijnta auch noch an. Wie aber werde ich sonst den Hund los, wenn er von seinem HuHa nicht eingesammelt wird?


Liebe Grüße
Uschi

Eddi

Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Eddi » Fr 12. Feb 2010, 12:34

Hallo,

Hm,
"hilft" Wijnta nach,
ich denke, das ist nur oberflächlich ähnlich. Hier ist es mehr die Rudelzugeörigkeit, die gemeinsam verteidigt wird. Chef geht auf Eindringlig los, also ist es meine Pflicht zu helfen.
Wie aber werde ich sonst den Hund los, wenn er von seinem HuHa nicht eingesammelt wird?
macht der denn was?
Wenn ja, wird Deine sich doch wehren oder sie gibt ihm gleich auf die Mütze?
Da würde ich mir keine großen Gedanken machen, wenn der sich in Gefahr begeben will und nicht hört.
*flüster* ansonsten gebe ich solchen besonders zudringlichen Gesellen gern eine Hörnervenreflexzonen-Massage: kurz und knapp mit der Fußspitze oder Breitseite (je nach Gefühl) etwa in Höhe der Kniekehlen. Die meisten rennen dann zu Mama oder Papa und empören sich weitab von meiner Gemeingefährlichkeit über diese!

Zu Pferd machts mehr Spaß: Zügel vorgeben und den Befehl "packs!!" Das Pony findet weglaufende Hunde richtig klasse.

Ich glaube, der Mechanismus bei dem "in den Senkel stellen" des eigenen Rudelmitglieds ist eher so was in der Art "lieb Kind" beim Boß machen. Ich trau mich nicht zu sagen, der Hund "denkt" soweit, daß er nicht unter Frauchens schlechter Laune mit-leiden möchte. Ich denke, da ich es in solchen Rudelkonstellationen immer wieder erlebe, daß es der zweitrangige Hund für seine Aufgabe hält, den nachgeordneten zu korrigieren, weil er dem Chef damit quasi (Drecks)Arbeit abnimmt.

LG
Eddi

Uschi

Re: Haben Hunde auch eine Moral?

Beitrag von Uschi » Fr 12. Feb 2010, 12:49

Hallo Eddi,
Eddi hat geschrieben:Ich glaube, der Mechanismus bei dem "in den Senkel stellen" des eigenen Rudelmitglieds ist eher so was in der Art "lieb Kind" beim Boß machen. Ich trau mich nicht zu sagen, der Hund "denkt" soweit, daß er nicht unter Frauchens schlechter Laune mit-leiden möchte.
Das heißt, Hunde sind sehr harmoniebedürftig. Bloß kein Streit, es muss immer friedlich sein im Rudel.

Eddi hat geschrieben:macht der denn was?
Wenn ja, wird Deine sich doch wehren oder sie gibt ihm gleich auf die Mütze?
Da würde ich mir keine großen Gedanken machen, wenn der sich in Gefahr begeben will und nicht hört.

Ich vetreibe nur Hunde, die evtl. "was machen" könnten. Oder solche, die klein sind und ob ihrer Knurrerei und Zähnefletscherei Gefahr laufen, sich zwischen Wijntas Zähnen wiederzufinden.

Natürlich wehrt sich Wijnta. Aber wir haben eigentlich genug von abgebissenen Ohren und Löchern in anderen Hunden. Die meisten Leute können das nicht leiden, und schnell ist man angezeigt.


LG
Uschi

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