"Röhrender Hirsch"

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Teddy.

"Röhrender Hirsch"

Beitrag von Teddy. » Do 23. Sep 2010, 21:06

Ich hätte da mal eine - etwas dringende - Frage:

Meine Airedale-Kleinausgabe ist schon etwas älter (>15 Jahre), hat an den Hinterbeinen Lokomotionsschwierigkeiten, ein kleines Leber- und Nierenproblem, hört kaum noch etwas und sieht noch Umriße.

Frißt durchaus mit Appetit (wenn auch sehr langsam und gewichtstechnisch nicht sonderlich wirkungsvoll) und geht gerne spazieren - trotz der Lokomotionsschwierigkeiten.

Gestern beim Abendspaziergang hat er sich plötzlich für Millis Hinterteil interessiert und hat dann bis spät in die Nacht seinen "Ruhelos-umherlaufen"-Modus eingeschaltet.

Seit gestern sind die beiden Hunde getrennt, heute ist Milli rausgeflogen, wir sind zwei Stunden im Wald spazieren gegangen - ich erwartete eigentlich, daß er zuhause müde ins Kissen fällt und pennt.

Aber nein, wieder dieser nervenschleißende "Ruhelos-umherlaufen"-Modus. Diesmal garniert mit in der Ecke stehen und röhren wie ein Hirsch. Klingt nicht nach Schmerzen - er bekommt morgens seine Tagesdosis Metacam für seinen Hinterläufe - sondern wirkt abwesend und leicht zwanghaft.

Kennt das jemand von Euch? Sind es doch Schmerzen? Jetzt läuft er schon eine Weile schweigend umher...

lg
Dina

Eddi

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von Eddi » Fr 24. Sep 2010, 01:03

Hallo Dina,

nun von solchem Verhalten kenne ich diverse Erscheinungsformen. Meist läßt sich das in irgendeiner Art unter "Senilitätserscheinungen" zusammen fassen. Kognitive Dysfunktion heißt es auf neudeutsch und hat einen Futtermittelhersteller sogar zur Entwicklung eines speziellen - selbstverständlich nur beim TA erhältlichen - Senioren-Futters inspiriert. Aber das nur am Rande (u.a. für Lutz und der Bestätigung seiner Vorurteile :dog_wink ).
Manche Hunde stehen einfach nur blöd rum, andere heulen, andere machen Zwangshandlungen, kläffen, lecken, kreislaufen. Da gbt es alle möglcihen Erscheinungsformen. Oft nur zeitweise, manchmal ähnlich einem Menschen mit Alzheimer, löst sich die ganze Hundepersönlichkeit immer mehr auf.
Auslöser ist das Nachlassen biochemischer Prozesse, abnehmende Durchblutung (Gefäßveränderungen, Herzerkrankungen) usw. im Hirn.
An Schmerzen - jedenfalls konkrete - denke ich da zuletzt.

Andererseits kann nervöses Umherlaufen ja auch konkrete Auslöser haben, Juckreiz, Herzbeschwerden, Liebeskummer (ist/wird Milli läufig?) und evtl nur nicht mehr adäquat beantwortet werden ( zB kann sich nicht kratzen, weil die Gelenke zu steif sind) oder durch nachlassen der Sinnesleistungen nicht mehr entsprechend durch Befehle unterbunden werden können.

Geriatrie wird auch im Haustierbereich ein größeres Feld.

Inwieweit Dein Mini-Dale nun da hiniein paßt, kann man auf Entfernung nicht sagen, aber schon allein sein gesegnetes Alter macht ihn zu einem Kandidaten.
Es gibt diverse Ansätze zur Therapie; mE helfen auch homöopathische Medikamente oft erstaunlich gut. Die Schulmedizin bietet neben der sicher in jedem Fall unerlässlichen Diagnosefindung an diversen Organsystemen und deren Unterstützung auch Mittel zur Steigerung der Durchblutung bes. im Gehirn an. Manchmal klappt's, manchmal nicht.

Und dann steht Hund halt wieder im Garten...
wer?
wo?
wer bin ich? ... und warum? .... und wie viele überhaupt?....
ach, da isja mein Fresschen.... :dog_drink

LG
Eddi

Teddy.

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von Teddy. » Fr 24. Sep 2010, 09:37

Hallo Eddi,

vielen Dank für die ausführliche Antwort. Das mit dem "Alzheimer" schwante uns auch schon. Nur dieses Röhren hatte ich vorher noch nie gehört. So völlig neben sich stehend. Beunruhigend.

Er bekommt Karsivan und Selgian ins Futter, fast immer verschwindet es auch in ihm. Zudem wird er fast 2x in der Woche mit Laurabolin gedopt. Bis in den Sommer haben wir auch eine geriatrische Spritzenkur (Ubicum? etc, 5 verschiedene Ampullen) gespritzt.
Mittlerweise ist er nur so dünn, daß das mit dem Spritzen schwierig wird und neulich habe ich auch zwei Placken auf der Hinterhand (annähernd da, wo ich die Spritzen reinstecke) entdeckt, die erfreulicherweise nach Haarentfernung friedlich abgeheilt sind. Von daher und weil er - wenn der die Spritze bemerkt - Tendenz hat, mich zu beißen, bin ich nur bedingt motiviert, ihn zwei weitere Male die Woche zu piecksen. Bin aber offen für eine argumentative Motivation ;-)).

(Maulkorb gegen das Beißen ist übrigens keine Lösung, da beißt er schon vorher und echauffiert sich derart, daß man befürchten muß, er fängt sich einen Herzkasper. Dann schon lieber eine Stelle suchen, wo er es nicht spürt. Gleichzeitig rundrum kraulen hilft auch, so fein funktionniert sein Meßsystem wohl nicht mehr. Hat alles seine Vor- und Nachteile...)
Eddi hat geschrieben:(..)Manche Hunde stehen einfach nur blöd rum, andere heulen, andere machen Zwangshandlungen, kläffen, lecken, kreislaufen. (..)
Dann sind wir ja noch ganz gut bedient...
Eddi hat geschrieben:(..)löst sich die ganze Hundepersönlichkeit immer mehr auf.(..)
Ich hätte früher nie gedacht, daß er mich mal beißen würde. Aber seine mangelnde Wahrnehmungsfähigkeit gepaart mit dieser unbegründeten Angst, jemand könnte ihm wehtun, läßt ihn erst zu schnappen und dann (ggf.) fragen, was eigentlich los war. So sollte man ihn in manchen Beleuchtungslagen tunlichst nicht von vorne über das linke Ohr streichen, da kommt sofort seine Verteidigungsgeste...
Eddi hat geschrieben:(..)Liebeskummer (ist/wird Milli läufig?) (..)
Objektiv vermutlich nicht, aber da er das zu "denken" schien, haben wir den Reiz mal ausquartiert.
Eddi hat geschrieben:(..) durch nachlassen der Sinnesleistungen nicht mehr entsprechend durch Befehle unterbunden werden können.(..)
Genau!

Es ist so frustrierend, er ist im Prinzip kerngesund, kein Herzproblem, kein Krebs, 1A Verdauung, gutes Fell, gute Wundheilung, Aussehen wie ein junger Spund. und dann das.

Trost bietet nur die Tatsache, daß er seine Lokomotionsbehinderung nicht wahrnimmt (Er stützt sich in jedes Hindernis nach dem Motto "ich bin NICHT behindert!") und keine Schmerzen zeigt.

Für eine Anregung, wie wir ihn "dick füttern" könnten, wäre ich sehr dankbar. Wir "stopfen" so viel, wie er annimmt, in ihn hinein. Selbstgekochtes, Kaustripes und div. Biskuits - je nach seinem augenblicklichen Geschmack.

(Es ist jetzt sicher nicht von Vorteil, daß meine Mutter ihn systematisch durch Betüteln zu einem mäkeligen Esser gemacht hat: immer wenn er etwas nicht fraß, hat sie ihm eine Alternative angeboten ("Schmeckt das vielleicht?"), weil sie ihn schon immer für zu dünn befunden hat. Ich fand 9,3 kg für 42cm Schulterhöhe ok.)

lg
Dina

TerrierLady

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von TerrierLady » Fr 24. Sep 2010, 09:45

Hallo Dina,

tut mir Leid um deinen kleinen Freund. Warum bekommt er Selgian und wie lange bekommt er das schon ???
Ich weiß von einem Hund der Selgian bekommt damit er nicht so ausflippt. Ich hab auch schon gehört dass bei
Selgian nicht immer die Wirkung eintrifft die man gerne hätte. Manche Hunde stehen dann "im Nebel".

Gruß Ulrike

Teddy.

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von Teddy. » Fr 24. Sep 2010, 09:57

Hallo Ulrike,

vielen Dank für die Anteilnahme!

Wir sind bei der 3. Packung Selgian, da sind, glaube ich, 20 Tabletten drin. Seither ist es mit seiner "Verteidigungs-Aggressivität" besser geworden. Wenn ich mich richtig erinnere, hat der TA uns das zur so einer Art "Persönlichkeitserhaltung" mitgegeben.

Es ist schwierig zu sagen, auch weil es ein so schleichender Prozess ist, ob er "im Nebel" steht. Man kann ihm Wasser vorhalten und er reagiert fast eine Minute nicht (bei einem normalen Hund hätte ich schon längst geschlossen, der hat keinen Durst), dann säuft er relativ viel.

In der Wohnung findet er aber zu Futter und Wasser. Er taucht auch bei Hunger in der Küche auf, allerdings so unauffällig im Zuge seines Ruhelos-Modus, daß man es unbedarft garnicht bemerkt.

lg
Dina

TerrierLady

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von TerrierLady » Fr 24. Sep 2010, 10:08

Hallo Dina,

hast du schon einmal die Nebenwirkungen von Selgian durchgelesen ??? Such mal auch mit einer "Suchmaschine".

Vielleicht ist es auch überdosiert. Es gibt ja verschiedene "Größen" von Selgian. Vielleicht ist es jetzt
einfach zu viel für deinen Hund da er ja auch schon abgebaut hat.

Gruß Ulrike

Eddi

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von Eddi » Fr 24. Sep 2010, 12:10

Hallo Dina,

ich bin mit solchen Medis wie Selgian eher unglücklich. Aber wenn Ihr das Gefühl habt, es würde ihm mehr helfen als Nachteile haben, dann rein damit.
Die "Geriatrie-Kur" könnte von Heel gewesen sein? Wenn ja, ich habe damit meine Kim über ein Jahr "in Gang" gehalten, nachdem ich sie nach einem "Schlaganfall" und Kortison etc nicht mehr auf die Beine brachte. Ich halte recht viel davon, denn es unterstzützt nicht nur die Hirnfunktionen, sondern auch Leber und Nieren etc, was bei so alten Kerlen eben immer mehr nachläßt. Ansonsten gibt es von Heel auch ein "Cerebrum", das hat dem einen oder anderen schon klarere Verhältnisse ins Oberstübchen gebracht. Die Injektionsmischungen kann man auch ins Maul geben, funktioniert fast genauso gut.

Und wenn alles andere nicht mehr langt, hätte ich bei dem alten Modell auch keine Hemmungen niedrig dosiert Kortison zu versuchen. Allerdings wirkt das dem Laurabolin entgegen.
Wenn die Muskelmasse trotz Laurabolin so abbaut, ist eh zu probieren, ob es überhaupt noch Sinn macht. Denn es belastet Leber und Nieren recht erheblich. Ich finde es angebracht, solange der Hund dadurch seine Muckis erhalten bekommt und noch genügend Kraft hat. Danach bringts nichts mehr.
Was ist mit der SChilddrüse? Oft brauchen die Oldies hier auch noch ein paar Pillchen. Rote, grüne, gelbe, die kleinen weißen mittags, die Tropfen vor dem Spaziergang, die Kügelchen hinterher... Kim wusste zum sChluß vieles nicht mehr, aber Pillen futtern, da war sie pünktlich :dog_rolleyes

Es ist aber auch verhext. Nix kann man uns recht machen; werden die Schnuffis im Kopp alt, jammern wir, weil sie sonst noch so fit sind, werden sie körperlich gebrechlich, heulen wir deswegen.
Ich denke, genießen, solange es allen gut geht und dann halt Altenpfleger spielen. Die alten Häschen geben einem aber auch soo viel.

LG
Eddi

Teddy.

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von Teddy. » Fr 24. Sep 2010, 13:04

Hallo Eddi,
Eddi hat geschrieben:(...)ich bin mit solchen Medis wie Selgian eher unglücklich. Aber wenn Ihr das Gefühl habt, es würde ihm mehr helfen als Nachteile haben, dann rein damit.(...)
Die auf der Packung angegebenen 2 Monate sind eigentlich auch schon rum...
Eddi hat geschrieben:(...)Die "Geriatrie-Kur" könnte von Heel gewesen sein? Wenn ja, ich habe damit meine Kim über ein Jahr "in Gang" gehalten, (...)
Ja, die ist es wohl. Da gehörte auch orales Lymphomyosot dazu, warum war mir nach Lektüre des Beipackzettels allerdings nicht klar. Zudem gab es jedesmal Streit, wenn ich mit der Spritze auftauchte, um ihm das im Maul zu versenken. Metacam nimmt er inzwischen anstandslos. Ich werde mal testen, ob es am Geschmack liegt. Wenn ja, sehe ich mit der oralen Anwendung der Kur leider gewisse Schwierigkeiten. Aber nicht die Hoffnung aufgeben.
Eddi hat geschrieben:(...)Ansonsten gibt es von Heel auch ein "Cerebrum", das hat dem einen oder anderen schon klarere Verhältnisse ins Oberstübchen gebracht. (...)
klingt gut, werde ich organisieren!
Eddi hat geschrieben:(...)Wenn die Muskelmasse trotz Laurabolin so abbaut, ist eh zu probieren, ob es überhaupt noch Sinn macht. Denn es belastet Leber und Nieren recht erheblich. Ich finde es angebracht, solange der Hund dadurch seine Muckis erhalten bekommt und noch genügend Kraft hat. Danach bringts nichts mehr.(...)
Wer gestern 2h lang im Wald rumläuft und dann noch 4h den Ruhelos-Modus pflegt, kann so wenig Muckis nicht haben?!? Allerdings ist da quasi nichts mehr zwischen Muckis und Haut (Oberfläche), das ist es, was beim Piecksen stört.
Liegt die Gewichtszunahme bei Cortison nicht hauptsächlich daran, daß mehr Wasser im Gewebe gespeichtert wird?
Eddi hat geschrieben:(...)Was ist mit der Schilddrüse? (...)
Muß ich mal den TA fragen, was die letzte Blutprobe ergeben hat. Wenn er da etwas untersucht hat... Wie schnell ändern sich da die Werte?

Besten Dank.
lg
Dina

Teddy.

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von Teddy. » Sa 25. Sep 2010, 10:58

Hallo Eddi,

habe nach dem Cerebrum gesucht und mehr gefunden, als ich - sagen wir - gebrauchen konnte.

Da gibt es Cerebrum compositum und Cerebrum suis und noch zwei andere. Jeweils in verschiedenen Potenzen.

Wer die Wahl hat, hat die Qual: was soll ich bzw er da nehmen?

lg
Dina

Eddi

Re: "Röhrender Hirsch"

Beitrag von Eddi » Sa 25. Sep 2010, 15:38

Hallo Dina,

ich verwende iA das -compositum. Das gibt's mW nur in einer Form, evtl in unterschiedlichen Ampullengrößen.
Falls der kleine Wilde nicht gut mit eingeben zurecht kommt, darf es auch ins Futter oder besser auf ein Kekschen, Brotstück getroft werden. Am besten ist immer die direkte Aufnahme via Schleimhäute, aber wenn's sehr aufwendig ist, muß halt die zweitbeste Lösung herhalten.

Viel Erfolg!

Eddi

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